

Kapitel 2: Die Klingen des Schwarzen Vogels
Oct 9, 2024
14 Min. Lesezeit
1
11
0
Die meisten Männer in Rayans Militär wählten den Orden der Blutklingen – einen wilden und mächtigen Kriegerclan innerhalb der Kaste der Raji'Draq, der aus geschickten Drachenreitern und Blutrittern bestand. Radu war keiner von ihnen. Er trat dem Orden der Raji'Rav bei, dem uralten Haus der Rabenklinge. Ihre Mitglieder waren versiert in der Kunst des Assassinentums. Wie Schurken agierten sie aus den Schatten heraus und verfolgten ihre Ziele ebenso hartnäckig. Rabenschwarzes Haar galt als ihr Markenzeichen. Die meisten von ihnen färbten es dieser Tagen in einem zeremoniellen Initiationsritus schwarz. Doch es gab eine Zeit, in der dieses dunkle Haar mehr als nur eine modische Zunfttradition war.
Da sich der Name des Hauses von einem alten Fluch ableitete, wurde es von den meisten aus Angst vor Unglück gemieden. Eine Rabenklinge in ihrem Arsenal zu haben, war jedoch ein Vorteil, auf den viele der Adelshäuser nicht verzichten wollten. Sie wurden wie furchterregende Agenten behandelt, die die Sicherheit der Adelsfamilien gewährleisteten, denen sie dienten. Gefährliche Schoßhunde ihrer Herrinnen waren sie und würden ihren Namen mit äußerster Grausamkeit und tödlicher Effizienz verteidigen, wenn es nötig war. Ein rayanischer Haushalt, der sich eine Rabenklinge leisten konnte, würde augenblicklich an die Spitze der Hierarchie aufsteigen und sich einen Namen machen, indem er die Dominanz über seine Rivalen behauptete. Ihre kampferprobten Körper, die in unzähligen Duellen geformt wurden, um den höchsten Rang innerhalb ihres Clans zu erreichen, waren zudem recht angenehm anzusehen. Gepaart mit ihren dunklen, für rayanische Verhältnisse ungewöhnlichen Haaren würden sich so manche Adelsdamen nach einem solchen Teufel zwischen ihren Schenkeln sehnen und auch gutes Geld dafür bezahlen.
Nicht viele verstanden darum Radus Entscheidung, den Borkenhäuten zu dienen. Er war einer der wenigen Rayonaigh, die im Dienste des Throns von Nemesava standen. Ihre Frauen waren nicht gerade für ihren freizügigen Charakter oder einen verschwenderischen Lebensstil bekannt. Zwei Eigenschaften, die für einen respektablen Status in der Gesellschaft der rayanischen Aristokraten fast schon obligatorisch waren. Aber es gab eine Sache, an der niemand zu zweifeln wagte: die Fähigkeit der Nachtklingen, zu töten. Ein Rudel gerissener nemesischer Nachtläufer, die die Grenze des Landes mit unbestrittener Souveränität sicherten. Ihre Kampfkünste kombinierten die Fertigkeiten des Jägertums mit den Qualitäten des wendigen Klingentanzes und der mystischen Kraft der Runenmagie. Kein Feind hat jemals lange genug in einem Eins-gegen-Eins-Kampf mit ihren Runentänzern überlebt, um die Geschichte zu erzählen. Und egal wie groß das rayanische Ego auch war, es würde unweigerlich ins Wanken geraten, wenn es in einer kalten und einsamen Nacht zu weit hinter der Baumgrenze des Azwaldes stünde. Das war es, wohin Radus Sehnsucht floh. Hinter diese Bäume an der südlichen Grenze. Mit den Klingen der Nacht und ihren gut gehüteten Geheimnissen, von denen er einst eines war.

Es fiel dem jungen Klingentänzer schwer, irgendeine Art von Stolz auf seine Abstammung zu empfinden. Als uneheliches Kind einer Menschenfrau und eines rayanischen Exilanten, der die Familie zu früh verlassen hatte, um die Sympathie seines Halbblutsohnes zu gewinnen, empfand Radu die Verwandtschaft mit dem Volk seines Vaters eher als eine Bürde. Er hätte es vorgezogen, nie einen Fuß in Gardyan’s nördliches Reich zu setzen und stattdessen seine Ausbildung in den Clanhallen der Twidan fortzusetzen. Die Herrscherfamilie von Nemesava hatte ihn unter ihre Fittiche genommen, nachdem er als kleiner Junge den Weg in die mysteriösen Länder hinter dem Großen Schleier gefunden hatte. Sie nahmen ihn auf und erzogen ihn wie einen der ihren, obwohl er mit seinem kreideweißen Gesicht am Esstisch wie ein bunter Hund auffiel. Bei großen Clantreffen versteckten sie ihn vor Außenstehenden. Fremde reden und bewerten – ein lokales Sprichwort, das Radu schon in sehr jungen Jahren verinnerlichte. Er vermisste die abgedroschenen Weisheiten ihrer Ältesten während seiner Ausbildung an der Militärakademie von Rayan. Er hatte Heimweh und sehnte sich nach einer Familie, die nicht seine war.
Als Raji'Draq-Novize versuchte er mehrmals, sein verfluchtes Haar mit Zitrussaft und Essig zu bleichen. Um sich aller Erinnerungen zu entledigen, die ihm seine sündige Herkunft auferlegt hatte, und, was noch wichtiger war, um sich an seine meist blonden Altersgenossen anzupassen. Sie ließen keine Gelegenheit aus, ihn zu ärgern und in unfaire Rangkämpfe zu verwickeln, wenn die Schwertmeister nicht hinsahen. Und das taten sie unverhältnismäßig oft, eben wegen seines Aussehens. Selbst unter anderen Kreidehäuten fühlte er sich immer noch wie ein Außenseiter. Unglücklicherweise hielt das Ergebnis seiner Bleichversuche selten länger als ein paar Minuten an. Der Rabenfluch seiner Blutlinie würde sich nicht so einfach auslöschen lassen. Es war nicht verwunderlich, dass sie ihn für einen Raji'Rav hielten, lange bevor er verstand, was dieser Begriff eigentlich bedeutete.
Das Wasser lief ihm über die Wangen bis zum Kinn, von wo aus es zurück in das schwarze Becken tropfte, das ihn umgab. Vor der Wanne konfrontierte ihn ein massiver Spiegel mit verziertem schwarzem Rahmen mit seinem eigenen Spiegelbild. Vor langer Zeit wäre dieser Spiegel zerbrochen. Ein gezielter Faustschlag hätte ihn in Stücke zerlegt. Radus Fingerknöchel hätten geblutet, ebenso wie sein Rücken nach der Disziplinarstrafe für seinen unkontrollierten Wutausbruch, der den Spiegel seiner Gastgeberin zerbrochen hatte. Fünf Peitschenhiebe für jedes Vergehen durch die Hände von Lady Ranush, einer sadistischen Domina par excellence. Um sich mit Rayans Matriarchin gutzustellen, bot sie mittellosen männlichen Studenten der Militärakademie eine Unterkunft in ihrer pompösen Villa am Stadtrand von Rubinstadt an. Sie ließ jedoch jeden armen Hund, der ihr Angebot annahm, mit seiner Würde dafür bezahlen. Die Kadetten wurden in Ranushs wohlhabenden Klatschkreisen herumgereicht, um intime Dienste zu verrichten, seltsame Fetische zu befriedigen oder Zwangsarbeit auf den Feldern der Landgüter dieser sogenannten adligen Vetteln zu verrichten. Die düstere Realität junger Männer in einer matriarchalischen Gesellschaft wie Rayan.
In der Zwischenzeit wollte Radu nur von einer instrumentalisiert werden. Seine Angebetete und Freundin aus Kindertage, Generalin Bozani, konnte manchmal hart sein. Aber ihre Handlungen waren nie von vulgären oder sadistischen Absichten geleitet. Im Gegenteil hatte sie eine ziemlich distanzierte, gar asketische Persönlichkeit, wenn man so will. Die meiste Zeit versagte sie sich selbst jeden Gedanken an Vergnügen, während sie sich eisern auf ihre Dienstpflicht konzentrierte. Sie hatte die Position des militärischen Kommandos von Nemesava in jungen Jahren von ihrer Mutter geerbt, als diese in den Ruhestand ging. Es war eine Tradition, seit sich die großen Häuser des Südreiches gebildet hatten und Bo wurde von Kindesbeinen an auf ihren Posten vorbereitet. Weibliche Führung in einer niederen Männerdomäne – undenkbar für die Rayonaigh. Aber die nemesianischen Hierarchien waren anders. Eine wahre Herausforderung für einen hingebungsvollen Diener, wie Radu lernen sollte. Eine noch größere Herausforderung gemäß dem Rayanischen Codex.
Das Matriarchat des Nordens hatte strenge Regeln, wenn es um die Verpflichtungen eines Kammerdieners gegenüber der Frau ging, der er gehörte. Es wurde von ihm nicht einfach nur erwartet, dass er ihr im Alltag zur Seite stand, er war auch für ihre Zufriedenheit verantwortlich – innerhalb und außerhalb ihres Schlafzimmers. Bozani schien jedoch nie zufrieden zu sein. Und sie wollte auch nicht zufrieden gestellt werden. Nähe und Intimität waren keine Begriffe, die sie in ihrem Wortschatz priorisierte. Ihr persönlicher Begleiter musste also keinerlei sexuellen Missbrauch fürchten, solange er ihren Forderungen in Sachen Militärdienst nachkam. Widerwillig hatte sie ihn als ihre Eskorte akzeptiert. Die Ältesten der Familie ernannten ihn eher scherzhaft zu ihrem Leibwächter, nachdem er in ihr Reich gestolpert war. Aber als Radu älter wurde, strebte er nach viel mehr als das, denn er hatte die Absicht, nichts Geringeres als die eheliche Hand der Generalin zu beanspruchen. Allerdings musste er sich erst ihrer würdig erweisen. Was bedeutete, dass er sich das Recht verdienen musste, der erste Befehlshaber seiner Herrin zu werden. Und ohne eine angemessene Ausbildung in der heimischen Militärkaste seines Vaters würde ihm dieser Rang verwehrt bleiben.
Wahrscheinlich sehr zu Bos seltener Zufriedenheit. Diese Frau wollte weder gebunden werden noch im Mittelpunkt seines listigen Plans stehen. Es war nicht so, hätte sie, die Anführerin der nemesischen Flotte und Armee, seine geheimen Pläne nicht erahnen können. Seine Herrin besaß einen scharfen Verstand, eine noch schärfere Zunge, und ihre sehr spezifische Art, ihm jedes einzelne Geheimnis zu entlocken, von dem sie vermutete, dass er es ihr vorenthielt, war wirklich faszinierend. Nur wenn die Antworten auf ihre Verhörfragen zufriedenstellend genug waren, würde sie endlich einwilligen, ihren rechtmäßigen Platz auf dem besten Biest ihres Bataillons einzunehmen.
Wenn Radu Glück hatte, ließ ihn seine dunkle Schönheit sogar das Kommando übernehmen und das Tempo bestimmen. Wenn er noch mehr Glück hatte, durfte er ihr in den Hals beißen und von ihr trinken. Die tiefste Bindung, die zwei Individuen teilen können – Blut. Niemals jedoch ließ sie sich von ihm küssen. Eine Tatsache, die Radu über alle Maßen störte. Er hatte diese vollen Lippen schon so oft gejagt, aber sie hatte sich stets geweigert. Es sollte Jahre dauern, bis er herausfand, warum das so war – viel länger als die Demütigungen und Schmerzen, die er ertragen musste, um das zu werden, was er sich in den Kopf gesetzt hatte: die tödlichste Klinge des Raji'Rav.
Das Training war unerbittlich. Endlose Turnierrunden in der Arena der Draq'enar – dem heiligen Trainingsgelände der Raji'Draq. Nachts fanden die blutigsten Schlachten innerhalb der rustikalen Steinmauern des Duellplatzes statt. Versteckte Dolche, blutrünstige Verwandlungen, klaffende Wunden und Ränge innerhalb der Orden, die aufgrund des schicksalhaften Ausgangs eines solchen Kampfes rasch ihren Besitzer wechselten. Diejenigen, die als Sieger hervorgingen, erhielten die seltene Gelegenheit, Mitglied der Bluttrinker zu werden. Der rituelle Kult war berüchtigt dafür, dass er die höheren Verwandlungsstufen der Animalis gemeistert hatte. Das bedeutete, dass sie in der Lage waren, die Macht von Rayans uralten Geistertieren im Kampf einzusetzen: Dem Blutfuchs, den Blutraben und das Drachenblut.
Selten gelang es einem einfachen Bürger, diese Formen des Gestaltwandelns ohne professionelle Anleitung zu meistern. Radu war eine Ausnahme. Sein Rabenwandel hatte ihn schon lange begleitet, bevor er nach Gardyan kam, auch wenn er es als Junge nicht bemerkt hatte. Seine unheimlichen Hinterhalte in der Arena ließen viele bluten, die es wagten, sich ihm entgegenzustellen, Blutklingen und Rabenklingen gleichermaßen. Umso überraschender erschien es seinen Gegnern, dass er sich niemals den Bluttrinkern anschloss. Jede Nacht des Sieges hatte er das Angebot abgelehnt. Stattdessen ersuchten seine rubinroten Augen, begierig ihr Wohlwollen erstrebend, den Mond über ihm ersuchen, wenn sich der Besiegte vor ihm krümmte. Suchend, forschend, nach den eiskalten, aber hitzig leuchtenden blauen Augenlichtern, die ihn damals als erstes entdeckten, als er den Schleier passierte.
Das prähistorische Portal hatte ihn am Seeufer von Seelwasser ausgespuckt. Ein heiliger Ort für alle Einwohner Nemesavas. So heilig, dass er mit einem Pfeil begrüßt wurde, als der Eindringling, der er zu sein schien. Bozani selbst war damals noch ein Mädchen, aber die Art und Weise, wie sie ihren Bogen spannte, war schon einer erfahrenen Waldläuferin würdig. Ihr weißes Haar war zu engen Zöpfen gebunden, die zu dem strengen Blick passten, den sie ihm zuwarf. Ein einziges Nicken zur Seite befahl ihm, sich langsam, aber stetig zu dem Waldpfad in der Nähe des Portals zu begeben. Es sollte der denkwürdigste Spaziergang im Wald werden, den er je gemacht hatte.
Mysteriös geformte Bäume passierend, erinnerten ihre herabhängenden Äste und elliptisch geformten, türkisfarbenen Blätter Radu sofort an die Trauerweiden seiner Heimat. Der Weg war von fein geschnitzten Straßenlaternen gesäumt, die an die Form hochgewachsener Wegwarten erinnerten. Sie warfen ein sanftes Licht auf den nächtlichen Pfad, auf den ihn die Pfeilspitze in seinem Rücken lenkte. Kleine leuchtende Amethyst- und Blauquarzkristalle vervollständigten dieses jenseitige Lichtspektakel, indem sie einige der Lampenlichter in ihrer spektralen Oberfläche reflektierten. Zumindest hätte das die tanzenden Funken in den Kristallstrukturen erklärt, die wie blaue und violette Glühwürmchen flackerten. Kein sterbliches Kind hatte je gesehen, wie sich eine solche märchenhafte Szenerie vor seinen Augen materialisierte. Und solch eine märchenhafte Wegweiserin hatten sie gewiss auch nicht. Wie einen Gefangenen delegierte sie ihn auf dem Weg in die Waldhauptstadt von Nemesava.
Kleine Jungen mögen keine Niederlagen. In den ersten Wochen wollte er sich wirklich für ihre gerissene Ergreifung rächen, als sie zum gemeinsamen Training befohlen wurden. Er stellte sie sich als Ziel mit höchster Priorität vor, wann immer sie diese wütenden Bewegungen einer Wildkatze entfesselte. Wie die rasenden Klauen eines Panthers hießen ihre Angriffe ihn im Clan willkommen und ließen ihn wissen, dass sie es niemals unterwerfen ließe. Sie brachte ihm all die groovigen Kampfschritte bei, die zu seinem Rhythmus werden sollten. Der klauengespickte Uppercut, der reißende Downcut, der Azkahene Rückwärtskick und der Abretinische Bodenfeger. Es wurde noch großartiger, als sie endlich alt genug waren, um während des Kampfes Klingen tragen zu dürfen. Beide würden die größte Erfüllung darin finden, alle Gleichaltrigen im Kreuzen von Schwertern und Dolchen zu übertreffen. Sie waren kleine lokale Legenden in ihrem Jahrgang und viele Kinder kamen regelmäßig, um sie abends auf dem Akanaquem Trainingsplatz trainieren zu sehen. Doch als sie beide älter wurden und Radus Erscheinung reifer wurde, veränderte sich etwas zwischen ihnen.
Sie traf ihn nicht mehr auf dem Übungsplatz und wollte ihm im Kampf gegenüberstehen wollte sie ihm schon gar nicht mehr. Stattdessen beobachtete sie ihn heimlich, während er seinen Unterricht bei den Großmeistern nahm. Sie verhielt sich seltsam in seiner Gegenwart, unhöflicher als sonst. Es wurde alles nur noch schlimmer, als Radu beschloss, seine Ausbildung auf... delikatere Bereiche der körperlichen Betätigung auszuweiten. Die nemesischen Mädels verliebten sich natürlich in ihn. Radu war für viele von ihnen ein exotisches Abenteuer und sie wussten, dass er sie immer mit einem Grinsen auf ihren schlafenden Gesichtern zurücklassen würde, wenn er wieder durch ihre Fenster in die Dunkelheit entschwand. Nur eine spürte, wie sich ihre Stimmung zunehmend verschlechterte, nachdem sie von seinen Exkursionen in Seelwassers Frauengemächer Wind bekommen hatte. Ihre reizenden Finger sollten ihm schon bald verraten, warum, als sie versuchten, sich seinem Griff zu entziehen, der nach einer Erklärung für ihre jüngste boshafte Haltung verlangte.
Es bedurfte unzähliger Versuche, um sie unter Vorspiegelung falscher Tatsachen wieder in eine Begegnung unten am Seeufer zu locken. Sie hatte ihn auf dem Weg zum Kristallgarten nicht erwartet und versteckte sich sofort hinter dem großen Weidenbaum, der den Eingang wie ein Wächter säumte. Sie wusste nicht, dass Radu inzwischen gelernt hatte, sich ihr unbemerkt hinterherzuschleichen. Wenn sie ihre rituellen Reinigungsbäder im See nahm, wenn sie ihre privaten Meditationen und Aufwärmübungen machte, halbnackt, mitten im Wald, oder wenn sie die Route wechselte, weil sie ihn entdeckt hatte. Diesmal würde sie sich jedoch nicht entziehen können. Da stand er, direkt hinter ihr, und verschmolz perfekt mit den Schatten des Waldes, während sie um den Baum herum spähte, um zu überprüfen, ob er noch da war. Er machte sich bemerkbar, indem er eine sanfte, warme Brise in ihren Nacken hauchte. Ein Faustschlag zur Begrüßung wurde erwartet und in aller Ruhe entwaffnet. Warum war sie nervös? Je näher er kam, desto mehr wollte sie seinem muskulösen Körper entfliehen, also drückte er ihn einfach mit sanfter Kraft gegen sie, damit sie endlich aufhörte, so zu tun, als wolle er ihr etwas zu Leide tun. Ihre Fingerspitzen über seine Brust und hinunter zu seinen Hüften geleitend, begann ihre Hand zu zittern. Ein klarer Kontrast zu ihrem widerspenstigen Blick, der seine bedrohlichen roten Augen noch nie fürchtete. Aber ihr Fauchen hielt ihn nicht auf. Er führte ihre Hände noch tiefer und ließ sie einen Teil seines Körpers spüren, den sie noch nie zuvor gesehen hatte. Ein Teil, der sich in den kommenden Jahren als ihre größte Schwäche herausstellen sollte. Und sie kannte keine Verteidigung dagegen. Flehenden Rufe der Leidenschaft sang sie ihm in dieser Nacht, als er sie an die wichtigste Lektion eines jeden Jägers erinnerte: Unterschätze niemals deine Beute.
Inbrünstig jagte er ihre Unschuld inmitten des nächtlichen Ambientes am See. Eine ernsthafte Besessenheit sollte sich offenbaren, als die Wachsamkeit seiner jungen Herrin sie zum ersten Mal im Stich ließ. Sie war so zauberhaft, als sie mit einer Mischung aus Misstrauen und Neugier auf seinen Schwanz hinunterstarrte. Sehr genau untersuchend, was er tat und wohin er glitt, ließ Radu sie ihn berühren und genoss es, wie vorsichtig sie sich mit ihrem neuen Spielzeug vertraut machte. Um ihre Erregung noch mehr herauszukitzeln, flüsterte er ihr zu, was er als nächstes damit vorhatte, und küsste dabei ihre errötenden Wangen. Sie hatte noch nie zuvor einen Mann in sich gespürt und Radu würde dafür sorgen, dass sie keinen anderen spüren würde. Bo war sein und nur sein und er machte es jedem Mann klar, der ihr zu nahe kam.
Mit der Zeit würde er buchstäblich für diese seltenen Momente töten, in denen seine furchterregende Kriegergöttin seiner dunklen Kunst der Verführung erlag. Da sie nach dem Zeigen von Schwäche aber schnell in Verlegenheit geriet, passten sich seine Strategien rasch an. Er wusste, dass ihre Erregung von der Bestie in ihm ausgelöst wurde. Deshalb stellte er immer sicher, dass jedes einzelne Detail seiner Missionen so explizit niedergeschrieben wurde, wie er sie dem Hauptquartier der Nachtläufer meldete. Er legte unglaublich viel Wert darauf, genau auszuführen, wie er sein Ziel ausfindig machte, welche Taktiken er im Falle eines Kampfes anwandte und mit welch unerbittlicher Gewohnheit er ihren Befehlen folge leistete. Wie Ravan und Ravaran, seine beiden scharfen Gefährten, Fleisch und Eingeweide zerteilten, um ihr Urteil zu sprechen. Er ließ sich die beiden Jagdschwerter von Seelwassers begabtesten Schmied persönlich anfertigen. Ihre fein ausbalancierten Klingen vollbrachten ein grausames Handwerk. Poliert mit einer Öl-Lösung aus Dracaena cinnabari, Bos Lieblingsduft, wäre ihr Duft das Letzte, was ein Verbrecher zu riechen bekam, bevor der schwarze Stahl ihn sein eigenes Blut schmecken ließ.
Einige Schreiber konnten nicht anders, als ihn empört und ungläubig zu beäugen, als er ihnen an ihrem Schreibtisch entspannt zurückgelehnt gegenüber saß und seinen Blutdurst auf poetische Weise in eine ekstatische Erzählung formulierte. Andere kratzten sich nur an der Stirn, während sie seine Worte niederschrieben, und räusperten sich subtil bei den absonderlichsten aller Zeilen. Aber Radu war das egal. Er wusste, dass seine drastischen Beschreibungen sie immer ein bisschen schneller atmen ließen, wenn sie die Berichte durchging. Die abgetrennten Gliedmaßen, die strategische Folter, um Informationen zu sammeln, das gerechte Blut, das er einzig in ihrem Namen vergoss. Sie hätte es nie zugegeben, aber sie war eine eifrige Leserin seiner schaudrigen Liebesbriefe.
Das Beste daran waren ihre Beschwerden und Fragebögen, die sie ausschließlich in Form eingereichter Berichtsantworten aushändigte. In aller Genauigkeit lieferte sie sie nach Feierabend an der Tür zu seinem Büro im Untergeschoss des Hauptquartiers ab. Eine ungeduldige Hand würde sie dann ins Büro ziehen und die Tür hinter ihr. Ihre feline Seite kam zum Vorschein, wenn sein nackter Oberkörper ihr in den dunklen Ecken ihres geheimen Liebesnests wenig Spielraum ließ, und er würde ihre flauschigen Aspekte in sanfter Anerkennung liebkosen. Seelenruhig studierte er ihre Beschwerdebriefe und füllte ihre Fragebögen aus, während er sie zwischen seinem Körper und seinem Schreibtisch gefangen hielt. Manches Grinsen konnte er sich aufgrund ihres höchst offiziellen Tonfalls oft nicht verkneifen. Seine Herrin blieb jedoch nie offiziell. Während sie darauf wartete, dass er zu Ende gelesen hatte, wurde sie unruhig, wenn er sie nicht in der Zwischenzeit ihr Lieblingsspielzeug spüren ließ. Und natürlich ließ er sie damit spielen, während er ihr Schreiben durchging. Es würde in ihren Händen immer größer werden, bis es seine volle Größe erreicht hatte. Dann hob sie sich selbst auf Zehenspitzen darauf und rieb ihre feuchte kleine Schwertscheide an seiner fleischlichen Waffe, die mit dem gleichen Öl parfümiert war wie seine Dolche. Radu würde die Dokumente beiseitelegen und beobachten, wie sie die süßeste Version ihrer selbst wurde und versuchte, ihre Bewegungen auf seiner Spitze zu üben. Er jedoch würde sich keinen Zentimeter bewegen, bis sie das Biest, das ihre spielerische Art provozierte, völlig vergessen hatte. Sie mit einem plötzlichen, ersten Stoß zu überraschen, bereitete ihm das größte Vergnügen. Oh gewiss, sie kratzte und biss manchmal, wenn er ihr Spiel unterbrach. Aber ihre Spuren auf seinem Rücken machten ihn nur noch geiler, was dazu führte, dass er sie seinen Umfang noch tiefer spüren ließ. Diese zierlichen Zehenspitzen würden trotz ihres trotzigen, katzenartigen Murrens auf und ab gehoben.
»Tiefer.«
Sie wurde so feucht, dass ihr süßer Saft an seinen Eiern heruntertropfte und er jedes Gefühl für seine Umgebung verlor.
»Tiefer...«
Das tödliche Biest in ihm verzehrte sich wie besessen nach ihrer durchnässten Wunde. Er konnte es nicht zurückhalten. Gelegentlich knurrte es sie an, während er ihr diese lauschige Tiefenmassage gab, die sie so sehr mochte.
»Viel tiefer.«
Jede ihrer Reaktionen mit den wildesten Blicken absorbierend, spreizten seine Oberschenkel ihre Beine weit genug, damit er mit seiner großen Erektion vollständig eindringen konnte, und er sorgte dafür, dass sie jeden Zentimeter spürte, der ihre Spalte dehnte und sie in Zeitlupe ausfüllte. Seine bedachten Stöße waren so professionell wie seine Dolche. Er wusste genau, wo er sie platzieren und wie er drehen musste. Sie würde nie mit nur ein paar davonkommen. Und als er schließlich seine geliebte Beute erlegt hatte, trug er sie zu dem samtenen Kanapee, wo sie erschöpft auf seiner Brust einschlief, ihre kleine, nasse Furche noch immer an seinen massiven Schwanz geheftet. Während sie schlief, beobachtete Radu sie, kostete sie, streichelte ihre pelzigen Ohren mit seiner Nase und grinste jedes Mal, wenn ihre irritierten Ohrspitzen als Reaktion auf seine Berührung schlackerten. Wie könnte ein skrupelloser Bastard solch wilde Schönheit nur verderben, die in einer Hülle aus hartem Fels verborgen war? Wie könnte irgendein degeneriertes Individuum solch unberührte Natur vergewaltigen, geschweige denn sie auf die schändlichste Art und Weise ermorden?
Radus verspannter Nacken sank in die Wanne zurück. Seine Nachforschungen zu den Ritualmord an den Nyeda Schwestern, der sich etwa zwei Jahre vor der Wiedereinführung der Raji'Rav ereignet hatte, brachten ihm immer noch kein zufriedenstellendes Ergebnis. Selbst jetzt, wo das gleiche Kriminalmuster wieder auftrat und seine Herrin langsam unruhig wurde, weil er noch immer keine Spur hatte, blieb die Identität des Schlächters verborgen und sein Motiv ungeklärt. Dieser Schwächling von einem Diener, den er vor ein paar Minuten im Seelenverhör hatte, war auch keine große Hilfe. Aber immerhin hatte er etwas verraten. Einen Namen.
»Dragovaste...«
Mit grimmigem Gesichtsausdruck verlor sich Radus Blick wieder in dem schwarzen Becken. Dieser Name klang verdächtig osteuropäisch. Warum er in der Welt jenseits des Schleiers existierte, darüber war er sich nicht sicher. Aber er würde es herausfinden, sobald er es endlich von diesem verdammten Schiff herunter geschafft hatte.
Die Rabenklinge stieß ein langes und tiefes Schnauben aus. Sie war in der Nähe. Er konnte ihre Anwesenheit schon aus einer Meile Entfernung spüren. War sie aufgeregt, ihn wiederzusehen, nachdem sie sich vor ein paar Wochen getrennt hatten, um zwei unterschiedliche Spuren auf See zu verfolgen? Sie konnte eine ganze Weile ohne seinen Schwanz auskommen, so viel wusste er. Aber hatte sie wenigstens daran gedacht? Die aktuellen Umstände würden nicht gerade für eine angenehme Atmosphäre sorgen, aber vielleicht würde sie ihm zumindest erlauben, neben ihr zu schlafen. Er hätte ihre Berührung bitter nötig, wenn auch nur für einen Moment.
Einen weiteren, tiefen Atemzug nehmend, verschwand wieder in dem mit Tinte durchsetzten Wannenwasser und wurde eins mit dem Nichts, das es enthielt. Um hoffentlich ein weiteres nützliches geisterhaftes Flüstern von einer längst verstorbenen Seele zu erhaschen, oder vielleicht sogar ein sanftes Wort von seiner nahenden, geisterhaften Herrin.